
Milch im großen Stil
Ein Stopp auf der Bio-Blogger-Tour war genau genommen gar kein Stopp. Ich habe nämlich einen Milchsammelwagen auf dem Weg zu einer kleinen Käserei im Tiroler Alpbachtal begleitet. Dabei habe ich einen guten Einblick in die Zusammenhänge der Lebensmittelproduktion bekommen. Angefangen mit dem Einsammeln der Bio-Milch auf Bergbauernhöfen und Almen, bis hin zu Käse und Butter im Verkaufsregal. Im kleinen Maßstab fand ich das schon sehr spannend, heute ging es zu einer der größten Molkereien in Österreich, wo ich mir angeschaut habe wie Bio-Milch im großen Stil verarbeitet wird.
Da ich selbst aus Oberkärnten stamme, hatte ich dieses Mal eine kurze Anreise zur Molkerei. Meine Eltern führen einen kleinen bio-zertifizierten Bauernhof. Unsere Kühe Glicka, Segna, Reima, Zeisa, Brauna und Rosa geben Bio-Wiesenmilch. Deshalb war ich schon sehr gespannt darauf, den Weg der Milch unserer eigenen Kühe bis hin zum fertigen Produkt zu erforschen.
Kärntnermilch ist die größte Molkerei in Kärnten. Bio-Milch wird hier bereits seit 1994 abgefüllt und verarbeitet. Mit dem damaligen Einstieg in die Bio-Milchverarbeitung war die Molkerei österreichweit eine der ersten, die Bio-Milch verarbeitet hat. Und das trotz anfänglicher Skepsis mancher Mitarbeiter. Mittlerweile sind alle stolz auf diesen Schritt.
Seit rund fünf Jahren wird Bio unter der Produktlinie Bio-Wiesenmilch vermarktet. Dabei müssen die Bio-Bauern, zusätzlich zu den Vorgaben der EU-Bio-Verordnung, einen speziellen Kriterienkatalog erfüllen. Dieser beinhaltet zusätzliche Anforderungen, beispielsweise in den Bereichen Fütterung, Tierwohl oder Klimaschutz. Alle Bio-Wiesenmilchprodukte sind mit dem AMA-Biosiegel ausgezeichnet.
Verwechslung unmöglich
Walter Zwick, der Molkerei-Qualitätsmanager, startete mit uns den Rundgang durch die Molkerei an jener Stelle, an der die Milch vom Milchwagen übergeben wird. Hier sieht es fast aus wie bei einer Tankstelle: Säulen, aus denen je zwei Rohre in die Molkerei führen. Ein Rohr für Bio-Milch, eines für Milch aus konventioneller Landwirtschaft. Das Rohr, durch das die Bio-Milch fließt, ist unübersehbar, mit einem grünen Aufkleber gekennzeichnet. Der Qualitätsmanager erklärt uns, dass Verwechslungen von Bio und Nicht-Bio grundsätzlich nicht möglich sind, denn bereits der Milchtank im Sammelwagen hat unterschiedliche Kammern für Bio- und konventionelle Milch. Wenn die Milch dann in die Tanks der Molkerei gepumpt wird, funktioniert das wirklich wie an einer Tankstelle: Dort kann man den Zapfhahn für Diesel gar nicht in den Tankstutzen eines Autos stecken, welches mit Benzin fährt.
Später im Tankraum gibt es für die konventionelle Milch runde Stahltanks und für die biologische Milch rechteckige, sodass die Trennung Bio und konventionell sofort auf einen Blick erkennbar ist.
Stahltanks?! Nirosta? Glanz? Und das in einem BIO Betrieb? Man könnte ja von Holztanks ausgehen, oder? Der Qualitätsmanager erklärt uns, dass auch Bio-Milch in Stahl- und Nirosta-Tanks gelagert werden muss – dies sei der Hygiene geschuldet. Dennoch betont er, dass sich die industrielle Produktion von der handwerklichen Herstellung nur durch die Benutzung von Maschinen unterscheidet: Die Produktionsschritte und Vorgehensweisen sind die gleichen wie vor hundert Jahren. Es wird lediglich die Handarbeit durch maschinelle Arbeit ersetzt. Das macht eine Produktion von biologischen Produkten auch im großen Stil möglich und ist zeitgemäß für Milchverarbeitung im 21. Jahrhundert.
Die Trennung von Bio- und konventioneller Milch setzt sich in der Verarbeitung fort. Meist wird am Morgen mit der Verarbeitung von Bio-Milch begonnen, anschließend läuft konventionelle Milch über die Anlagen. Dann wird gereinigt, nicht zuletzt auch damit am nächsten Morgen wieder sofort reine Bio-Milch verarbeitet werden kann. Keine Unterschiede gibt es hingegen bei der Hygiene – und bei den Qualitätsparametern in der Verarbeitung. Die Labortests sind für konventionell und Bio gleichermaßen verpflichtend.
Auf dem Weg durch die Kühlräume stellt sich mir die Frage, wie es um die Nachhaltigkeit eines so großen Betriebes bestellt ist. Der Qualitätsmanager erklärt mir, dass die Verarbeitung von Milch sehr energieintensiv ist. Es werden jedoch immer wieder Überlegungen angestellt und Maßnahmen gesetzt um den Energieverbrauch weiter zu reduzieren bzw. auf erneuerbare Energien umzusteigen. Derzeit ist die Errichtung einer Photovoltaik-Anlage in Vorbereitung. Das Wasser im Betrieb wird bereits recycelt und aufbereitet.
Landwirtschaft mit Mehrwert
Auch Helmut Petschar, der Geschäftsführer der Molkerei und zusätzlich Präsident der Vereinigung österreichischer Milchverarbeiter, hat sich Zeit für unsere Fragen genommen. Von ihm habe ich heute auch erfahren, warum Bäuerinnen und Bauern - abgesehen von der Milchproduktion - in der Region unverzichtbar sind. Landwirte leisten einen sehr wichtigen Beitrag für unseren Tourismus und die Erhaltung der Kulturlandschaft. Wären unsere Almen nicht bis weit hinauf in die Berge bewirtschaftet, gäbe es auch keine Almwiesen, da sich der Wald innerhalb weniger Jahre ausbreiten würde. Als Konsequenz wären Alm- und Wandertourismus nicht mehr möglich. Die Bauern sichern mit der Milchwirtschaft auch wichtige Bereiche des Tourismus in Österreich.
Kuh-Marathon
Um den Konsumentinnen und Konsumenten die Bedeutung der Milchwirtschaft für die Almen spielerisch näher zu bringen, lässt die Molkerei jedes Jahr 15 Bio-Wiesenmilch-Kühe im Marathon gegeneinander antreten. Dieses Projekt hat mich besonders zum Schmunzeln gebracht. Jede Kuh wird mit einem GPS-Sender ausgerüstet. Dieser misst, wie viele Kilometer die Kuh auf der Weide zurücklegt. In den Sozialen Medien kann man auf die Kühe setzen und mitfiebern. Nach rund sieben Tagen haben die ersten Kühe die Marathon-Distanz von 42,197 Kilometern zurückgelegt. Heuer hieß die schnellste Kuh Emilu. Aber auch Farina, eine Siegerin der Herzen wurde im Publikumsvoting gekürt. Hintergedanke bei diesem Projekt ist natürlich auch die Bio-Wissensvermittlung: Nach dem Marathon ist jedem Konsumenten bewusst, dass Bio-Kühe Auslauf auf eine Weide zur Verfügung haben müssen. Für mich ist dieser Wissenstransfer durch die spielerische Umsetzung sehr elegant gelungen.
Bio und Regional - nicht egal
Mittelfristig soll das Bio-Segment weiter ausgebaut werden. Um Bäuerinnen und Bauern zu motivieren ihren Hof biologisch zu bewirtschaften, werden immer wieder Versammlungen und Informationstage abgehalten. Sollte ein Betrieb Interesse an der Umstellung auf Bio haben, wird er von Hofberatern individuell unterstützt. So soll mittelfristig 40 bis 50 Prozent der Milch Bio-Qualität haben.
Helmut Petschar setzt zusätzlich einen Schwerpunkt auf lokalen und regionalen Vertrieb. Die Produkte der Kärntnermilch sollen für alle Kärntnerinnen und Kärntner lokal verfügbar sein: Beliefert werden sowohl große Supermarktketten, als auch kleine regionale Geschäfte, Gastronomiebetriebe oder Krankenhäuser und Direktvermarktungsinitiativen wie die Ackerboxen von MyAcker. Was das ist, erfährst du im nächsten Blog.
Orientierung im Siegel-Dschungel
Auf Bio-Lebensmitteln sind verschiedene Bio-Siegel und -Logos abgedruckt. Das macht manchmal einen verwirrenden Eindruck. Dabei ist die Bio-Kennzeichnung ganz einfach. Zumindest wenn man sich an den staatlichen Kennzeichnungen orientiert: Alle verpackten Bio-Nahrungsmittel, die innerhalb der EU verkauft werden, müssen das EU-Bio-Logo auf der Verpackung tragen. Das AMA-Biosiegel ist sozusagen sein „strenger Bruder“. Es garantiert mehr Bio, beispielsweise durch die weitere Reduktion der erlaubten Zusatzstoffe in der Verarbeitung, oder durch besonders hohe Qualität. Die wird auch mittels verpflichtender mikrobiologischer Analysen abgesichert. Wie gesagt: Bio-Kennzeichnung ist eigentlich ganz einfach.