Bio liefert viel mehr Interview mit Alois Posch

„Bio liefert viel mehr!“

Bio in Österreich, das ist eine Erfolgsgeschichte. Aber wie wurde sie das, und wer hat sie geschrieben? Eine zentrale Rolle in der Entwicklung der Bio-Landwirtschaft hierzulande hat Alois Posch gespielt. Posch ist einer der Gründungsväter des heimischen Bio-Booms. Seine Arbeit hat maßgeblich die Grundlagen dafür gelegt, dass Österreich heute Bio-Europameister ist. Mit der AMA-Marketing spricht er darüber, welche Schwierigkeiten Bio anfangs hatte, warum die Politik für Bio dennoch wichtig ist und wieso Bio nicht nur gut sein kann.

AMA: Herr Posch, wie haben Sie Bio als Lebensthema für sich entdeckt?

 

Posch: Das hat schon während des Studiums begonnen. Damals habe ich mitbekommen, dass mein Kollege Gerhard Plakolm sich für dieses Thema eingesetzt hat. Auch dass unser Pflanzenbauprofessor darauf negativ reagiert hat, habe ich natürlich gesehen. Richtig los ging es dann, als ich ins Ministerium kam. Meine Chefin, Frau Ministerialrat Dr. Worel, später Sektionschefin, war Bio gegenüber sehr aufgeschlossen. Bio begann sich dann langsam zu entwickeln. Erst sind laufend Gäste aus dem Naturschutzmilieu gekommen. Dann hat mich Frau Dr. Worel auf eine Exkursion in die Schweiz geschickt. Da habe ich gesehen, dass Bio gut ist und gut funktioniert. Das habe ich dann auch in einem Artikel für die damalige Zeitschrift „Agrarwelt“ geschrieben. Der Artikel ist nie erschienen. Die Zeit war noch nicht reif dafür. Aber da meine Chefin, wie bereits erwähnt, Bio gegenüber aufgeschlossen war, haben wir die ersten Förderungen vergeben – bewusst leise, weil der Bauernbund damals von dieser Idee noch nicht sehr begeistert war. Die Situation mit dem Bauernbund hat uns aber nicht daran gehindert, der „Arbeitsgemeinschaft für biologische Landwirtschaft“, damals hieß es noch „biologischer Landbau“, in kleinerem Umfang schon eine Förderung gegeben haben. Später war ich froh, dass das kein großes Aufsehen verursacht hat. So hatte der damalige Landwirtschaftsminister Josef Riegler dann die Möglichkeit, neue Akzente zu setzen. 

 

AMA: Wie ist es dann weitergegangen?

 

Posch: Als Riegler ins Amt gekommen ist, gab er den Auftrag, eine neue Agrarpolitik zu definieren. Man hat dann festgestellt, dass Bio unseren Zielen am ehesten entspricht. So war es ein logischer Schritt, mit der Förderung der biologischen Landwirtschaft zu beginnen. Ich hatte die Ehre, dafür zuständig zu sein. Und das gab mir die Möglichkeit, in meinem Berufsleben praktisch nur für eine umweltfreundliche Landwirtschaft wirken zu dürfen. Das habe ich wirklich als Gnade empfunden. 

 

AMA: In welcher Höhe wurden damals die Fördermittel für Bio angesetzt?

 

Posch: Im ersten Jahr, 1989, waren es zwei Millionen Schilling an Förderungen. Das sind natürlich andere Summen als heute, wo in größerem Umfang Gelder an die biologische Landwirtschaft fließen. Einschließlich der Marktordnungszahlungen sind das sicher mehr als 200 Millionen Euro. Während dieser Zeit, als ich 1988 für Bio zuständig geworden bin, gab es eine Änderung. Bei uns kam nämlich das Thema Umwelt dazu. Und zwar deshalb, weil der zuständige Ministerialrat die Stelle gewechselt hat und die Frage im Raum stand: Wo passt Naturschutz dazu? Die Antwort lautete: Zum Thema biologische Landwirtschaft. Dadurch war ich an der Schnittstelle zum Umweltministerium. Später ist das Thema Umwelt dann zum Ministerium gekommen. Das hat die Arbeit etwas vereinfacht. Diese Entscheidungen waren der Grundstein für meine Begeisterung für die Idee Bio.

 

AMA: Jetzt haben Sie gleich einen sehr weiten Bogen gespannt. Wie hat man sich das gesellschaftliche und fachliche Umfeld der damaligen Zeit vorzustellen? 

 

Posch: Diese Zeit war noch geprägt von den Nachkriegsjahren. Damals war es wichtig, ausreichend Nahrungsmittel für die heimische Bevölkerung zu produzieren. Bio war noch kein Thema. Im Gegenteil, es wurde eher als Störfaktor gesehen. Ein Beispiel: Unser damaliger Pflanzenbauprofessor war der Meinung, dass Hydrokultur eine super Sache sei. Er hat die Früchte gelobt und sie uns zu kosten gegeben. Er verstand nicht, wie man an der modernen Landwirtschaft etwas aussetzen könnte. Und dann kommt Bio daher und sagt: Keine Hydrokultur, nur aus der Erde und nur im Kreislauf und möglichst wenig Düngemittel, wasserlösliche Düngemittel und solche Dinge. Das hat man damals nicht verstanden. 

 

AMA: Haben Sie nie daran gezweifelt, dass Sie richtig liegen? 

 

Posch: Nein. Ich habe gesehen, warum es Bio überhaupt gibt. Dabei ging es nicht nur um Umweltschutz, sondern auch um die Unabhängigkeit der Bauern. Damals war es ein Problem, dass Bauern bei der Landgenossenschaft Dünger und Spritzmittel oft auf Kommission kaufen mussten. Die Bauern warteten jedes Mal dringend darauf, dass sie ihr Geld von der Ernte endlich bekommen. Sie haben sich abhängig gefühlt und das waren sie ja auch. Der zweite wichtige Grund war: Man hat gesehen, da gibt es moderne Mittel, etwa Düngemittel, von denen man sich viel versprochen hat. Aber es hat nicht lange gedauert, bis man draufgekommen ist, dass mit diesen Mitteln auch Risiken und Nachteile verbunden sind. Das wollte Bio vermeiden, indem man sich auf die Kreislaufwirtschaft zurückzieht und möglichst keine externen Düngemittel einsetzt. Auch für mich war es sehr überzeugend zu sagen, ja, es gibt die Möglichkeit ohne so viele externe Betriebsmittel zu produzieren. Die Kreislaufwirtschaft funktioniert auch gut. Tatsache ist aber auch, dass Bio im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft, die ja mit starkem Betriebsmitteleinsatz vor allem Dünge- und Pflanzenschutzmittel arbeitet, deutlich weniger Ertrag bringt. Daher war unter Riegler klar, dass man zumindest am Anfang in der Umstellungszeit besondere Hilfe braucht, weil da die Ertragsdepression besonders stark ist.

 

AMA: Was ist die konkrete Arbeit im Ministerium, die dafür sorgte, dass Sie die Bedingungen für Bio draußen verbessern konnten? 

 

Posch: Das Landwirtschaftsministerium ist ein Förderungsministerium. Das heißt, bei uns ist es darum gegangen, die Bio-Organisationen am Anfang und dann auch die Betriebe finanziell direkt zu unterstützen, um eben diese Ertragsdepressionen finanziell ein bisschen auszugleichen. Am Anfang haben nur Umstellungsbetriebe eine Förderung bekommen. Unter dem seinerzeitigen Minister für Landwirtschaft Dipl.-Ing. Dr. Franz Fischler ist das dann geändert worden. Das habe ich als wirklich großen Schritt betrachtet. Es wurde umgestellt auf Dauerförderung: Alle Biobetriebe bekommen während der gesamten biologischen Bewirtschaftung Geld, um die niedrigeren Erträge auszugleichen.

 

AMA: Wie ist das von den heimischen Biobauern angenommen worden?

 

Posch: Ich habe dann mit den Biobauern diskutiert: „Wollt ihr eine höhere Förderung?“ Denn das war seitens der EU eigentlich gewünscht. Es sollte eine höhere Förderung für Umstellungsbetriebe geben und später, wenn der Betrieb läuft, etwas weniger. Die Bauern meinten: „Nein, wir wollen gleichbleibend immer dieselbe Prämie, damit nicht diejenigen umsteigen, die nur des Geldes wegen umsteigen.“ Es sollte eine gewisse Einstiegshürde geben, damit wirklich nur die Überzeugten umstellen. Und daher haben wir in Österreich das von vornherein so gehalten – für Umstellungsbetriebe und für die umgestellten Betriebe. […] 

 

AMA: Bio ist ja vom Grundgedanken her konservativ, bewahrend. Warum, glauben Sie, haben gerade Konservative in der Vergangenheit so Probleme damit gehabt, die Vorteile von Bio für sich zu erkennen?

 

Posch: Die Konservativen waren, glaube ich, geprägt von der Nachkriegszeit. Da ging es darum, ausreichend Nahrungsmittel für die österreichische Bevölkerung zu erzeugen. Deshalb war der konservative Weg, die Produktion möglichst zu steigern. Auf die Steigerung zu verzichten und im Einklang mit der Natur zu wirtschaften, war der progressive Weg. Wobei ich, weil ich später auch für das Agrarumweltprogramm zuständig war, auch kein Schwarz-Weiß-Denken haben wollte. Die konventionelle Landwirtschaft in Österreich ist nicht der Gegenpol zu Bio. Es gibt viele Übergänge. Manche haben nicht auf Bio umgestellt, weil sie z.  B. einen guten Absatzmarkt in der Nähe hatten und die Konsumenten auch ohne die Bezeichnung Bio großes Vertrauen zu deren Produkten hatten. Da wurde auch durchaus umweltfreundlich gewirtschaftet. Das machen nicht nur Biobauern, aber die Biobauern machen es halt deutlich stärker.

 

AMA: Eine letzte Frage noch zu diesem Aspekt: Ist Bio denn damals parteipolitisch konnotiert gewesen? Und falls ja, hat Ihnen das die Arbeit leichter gemacht oder schwerer? 

 

Posch: Bio war in den Anfängen eher links geprägt und die Pioniere waren damals noch Außenseiter. Als ich dafür zuständig war, war es dann schon so weit, dass alle im Parlament vertretenen Parteien mehr oder weniger für Bio waren. Das hat mir die Arbeit wirklich erleichtert. Die Grünen wollten immer ein bisschen mehr, die anderen vielleicht nicht so viel, aber grundsätzlich war Bio in dieser Zeit nicht mehr wirklich umstritten. Es war ein Weg, der an der Spitze der umweltfreundlichen Landwirtschaft gestanden ist. Und ich, soweit ich Einfluss hatte, habe mich immer bemüht, dass man auf allen Ebenen über Bio reden konnte und das nicht parteipolitisch missbraucht wird […]

 

AMA: Heute ist Österreich Vorreiter in Sachen Bio in Europa, aber auch darüber hinaus. Da Sie ja auch den internationalen Vergleich haben, was macht es aus, dass Österreich da einfach weiter ist als andere? Ihre Arbeit?

 

Posch (lacht): Sicher nicht. Dass der Weg für die biologische Landwirtschaft ein so erfolgreicher wurde, hat natürlich viele Gründe. Vor allem auch die Konsumenten, über die wir noch nicht gesprochen haben. Die Konsumenten waren die treibende Kraft. Sie haben dafür gesorgt, dass Österreich als einer der ersten Staaten auf der Welt Bio-Richtlinien gemacht hat. Damals war das verständlicherweise nicht so sehr ein Ziel, welches das Landwirtschaftsministerium verfolgt hat. Es war eher das Konsumentenschutzministerium, das im Gesundheitsministerium untergebracht ist. Und die Zuständigkeit für Bio, das wissen viele gar nicht, ist nicht im Landwirtschaftsministerium, sondern im Gesundheitsministerium. […] Das Landwirtschaftsministerium ist ein Förderungsministerium, das arbeitet natürlich eng mit dem Gesundheitsministerium zusammen, aber die rechtlichen Grundlagen sind im Gesundheitsministerium.

 

AMA: Standen gesundheitliche Aspekt hinter der Förderung von Bio?

 

Posch: Es stand nicht so sehr die Gesundheit im Vordergrund. Die Konsumenten sollten geschützt werden. Wenn Konsumentinnen und Konsumenten auf Bio Wert legen, dann sollen sie gesicherte Bioprodukte bekommen, egal aus welchem Grund der Konsument Bio bevorzugt. Ob es Naturschutz ist oder Gesundheit. In Umfragen wird die Gesundheit immer weit vorne eingestuft, vor allem bei jungen Eltern. Aber der Haupthintergrund für die Richtlinien war der Schutz der Konsumenten. Das fand ich immer positiv. […] 

 

AMA: In den Anfängen war Bio sehr stark pflanzlich konnotiert, es ging weniger um tierische Produkte. Was ist der Grund dafür, und wie hat sich das verändert?

 

Posch: Ja, das ist ganz interessant. Es hat, neben den Bio-Bauern, damals auch die kritische Tiermedizin gegeben. Die haben sich […] dafür eingesetzt […], dass die Tiere gut gehalten werden. Na, und dann hat man auf den Biobetrieben gesehen: Man kann die Tiere nicht weglassen im landwirtschaftlichen Denken, und die kritische Tiermedizin hat gesehen, ja, es geht nicht nur um die Haltung, sondern auch um die Fütterung. Damit sind diese Gedanken zusammengewachsen und Österreich hat bereits 1992 erste Bio-Richtlinien für die tierische Produktion erlassen. Ein, wie sich gezeigt hat, sehr wichtiger Schritt.

 

AMA: Bio hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert. Wie sehen Sie die Veränderungen, was begrüßen Sie, was sehen Sie kritisch?

 

Posch: Die Veränderungen zeigen sich am Markt. Die üblichen Zwänge, die es im Handel gibt, wirken sich natürlich auf die Landwirtschaft insgesamt aus. Da ist etwa der Preisdruck, weil bestimmte Produkte vom Lebensmittelhandel als Lockprodukte verwendet werden. Wenn die Preise so niedrig sind, haben die Bauern keine Freude damit. Da gibt es auch auf die biologische Landwirtschaft einen gewissen Druck, etwa den, mehr zu produzieren. Aber im Prinzip, meine ich, ist Bio Bio geblieben. Wir haben stets versucht, alle Wege der Vermarktung einzubeziehen. Das hat nicht immer funktioniert. Da gibt es […] einen Bio Versandhandel, der liefert direkt aus dem Waldviertel Produkte nach Wien, aber immer in sehr kleinen Einheiten. Logisch, dass da die Umweltbelastung höher ist, wenn sehr viele Autos hin- und herfahren, oder auch wenn verschiedenste Organisationen unterwegs sind. Daher haben wir die Bio-Aktivitäten der Supermärkte begrüßt. Wie gesagt, mit dem Nachteil, dass es durch die Marktmacht der Supermarktketten natürlich verschiedene Zwänge gibt. Aber ohne diese Supermärkte würde es, glaube ich, nicht so hohe Absätze geben. […]

 

AMA: Wenn wir noch kurz ein bisschen in der Vergangenheit bleiben, 1978 sind Sie ins Ministerium gekommen. 1988 sind Sie dann in diese Position gekommen, in der Sie sich um Bio kümmern konnten. Es gab in den 80er-, 90er-Jahren einen richtigen Boom. Bio ist aufgeblüht und Sie waren mittendrin. Wie haben Sie das erlebt? 

 

Posch: In den Anfangsjahren hat Bio immer wieder auch Absatzprobleme gehabt. Das hat sich dann geändert, als Billa auf Bio gesetzt hat und tatsächlich höhere Mengen abgenommen wurden. Gleichzeitig hat die Förderung begonnen. Dadurch wurde einerseits die Produktion unterstützt und auf der anderen Seite ging der Absatz nach oben. Dieses Zusammenwirken hat dann, so glaube ich, dazu geführt, dass sich Bio wirklich entwickeln konnte. 

 

AMA: Also war das eigentlich eine harmonische Verschmelzung von ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen, die dazu geführt hat, dass Bio breitenwirksam werden konnte?

 

Posch: Ja. Eine harmonische Entwicklung war immer Ziel des Hauses. Dass also weder ein Überangebot produziert wird, das die Preise zusammenhaut, noch dass ein Mangel herrscht. Im Großen und Ganzen hat das gut funktioniert.

 

AMA: Jetzt gestalten Sie das Ganze schon eine Zeit lang aktiv mit und beobachten es natürlich auch sehr aufmerksam. Wie ist Ihr Eindruck, ist Bio „verstanden“ oder müssen wir die Geschichte immer neu erzählen? 

 

Posch: Also die laufende Information, auch in den Schulen, ist schon wichtig, bleibt immer wichtig. So selbstverständlich ist es nicht, dass die Leute immer wissen, was Bio ist. Die Vermittlung des Biowissens ist immer wichtig. Und ich hoffe, dass die jungen Leute damit aufwachsen und es als selbstverständlich ansehen, dass Bio eine umweltfreundliche Methode ist. Sie sollten aber auch wissen, worüber sie sprechen. Ich habe immer ein bisschen unter romantischen Vorstellungen über Bio gelitten. Die sind manchmal wirklich praxisfern. Deshalb habe ich mich bemüht, die Information so zu gestalten, dass gesagt wird, wofür Bio steht und wofür eben nicht. 

 

AMA: Bio hat sehr viele einzelne Aspekte. Welche Argumente, die für Bio sprechen, kommen Ihrer Meinung nach in der öffentlichen Debatte zu kurz? 

 

Posch: Ich persönlich habe es immer als Nachteil empfunden, dass die Ganzheitlichkeit oft nicht gesehen wird. Als Gentechnikfreiheit erstmals Thema war, war manchen nur gentechnikfrei schön genug. Dass gentechnikfrei aber bei Bio „automatisch“ mitgeliefert wird, dass da generell viel mehr geliefert wird, das haben offenbar wenige Leute gesehen. Und wenn es dann irgendwo Informationen gegeben hat, dass Umwelteinflüsse auch auf Bio negative Auswirkungen haben, dann hat man gesagt, naja, dann kann ich ja gleich konventionell kaufen, weil Bio kann sich auch nicht von negativen Einflüssen abkoppeln. Die Leute sehen nur schwarz-weiß. Aber es gibt schwarz. Es gibt weiß. Und es gibt viele Grauschattierungen dazwischen. Bio ist nun mal nicht waschmittelwerbungsweiß. Es ist ein bisschen grau. Das andere ist halt mehr grau. 

 

AMA: Können Sie das anhand von konkreten Beispielen festmachen?

 

Posch: Es gibt in Österreich, glaube ich, wirklich wenige stark negative Beispiele. Aber der wirtschaftliche Druck hat dazu geführt, dass beispielsweise die Böden nicht bei allen konventionellen Betrieben so intensiv gepflegt worden sind wie bei Biobetrieben. Zwei Felder in Hanglage nebeneinander, eines ist Bio, das andere ein konventionelles Feld. Wenn dann ein Platzregen kommt, rinnt das Wasser bei Bio fast klar herunter. Auf der anderen Seite kommt Erde mit, weil sie nicht richtig mit den Wurzeln vernetzt ist. Oder ein anderes Beispiel: Bei Trockenheit sind die Erträge bei Bio höher als beim konventionellen Nachbarbetrieb, weil der Boden eben mehr Wasser aufnehmen kann, und daher die Trockenheit nicht so folgenschwer ist. Das sind handfeste Vorteile von Bio. Ich hoffe, dass auch die Konsumenten diese Gesamtheit der Bio-Vorteile sehen.

 

AMA: Sie als Elder Statesman, wenn ich Sie jetzt so bezeichnen darf, plaudern Sie aus dem Nähkästchen. Was sehen Sie, was fällt Ihnen auf, wo können wir vielleicht noch besser werden?

 

Posch: Ich denke da an die Bürokratisierung, die von den Bauern natürlich nicht gerne gesehen wird. Ich bin ja noch ein bisschen aktiv im Bio, leite noch eine Arbeitsgruppe im Biobeirat des Gesundheitsministeriums. Da gibt es schon Diskussionen. Hier die landwirtschaftliche Perspektive, da die bürokratische. Da sind Konflikte vorprogrammiert. Die Kunst ist, streng und genau zu sein, aber nicht zu bürokratisch. Und das ist ein sehr schwieriger Weg (lacht)

 

AMA: Ein anderer Aspekt, auf den wir als AMA sehr genau schauen, sind die Kontrollen. Welche Bedeutung messen Sie den Kontrollen im Biobereich bei?

 

Posch: Ohne Kontrollen ist das Vertrauen in der Konsumentenschaft nicht zu erhalten. Zwar sind Kontrollen unangenehm für die Bauern, aber sie leben davon, dass es Kontrollen gibt. Denn ohne Kontrollen geht das Vertrauen verloren. Ich habe das Thema immer als sehr wichtig gesehen und die AMA hat das, glaube ich, richtig gemacht.

 

AMA: Ist Bio – ich formuliere es einmal sehr flapsig – ein Schönwettertrend oder wurzelt die Überzeugung tief genug, so dass die Konsumenten dabeibleiben, auch wenn finanziell mal nicht alles optimal läuft? 

 

Posch: Ich glaube, dieser Aspekt ist besonders wichtig. […]  Leute, die selbst kochen, wollten Bio haben. Wenn Sie essen gehen, dann können Sie in den seltensten Fällen wählen, können nicht sagen: „Ich gehe in ein Gasthaus und wähle jetzt ein Bio-Menü‘“. Das wird in den meisten Restaurants nicht angeboten – außer der Betrieb ist darauf spezialisiert. Vielleicht tritt jetzt eine gewisse Umsatz-Stagnation ein, aber die Wertigkeit von Bio hat noch nicht gelitten.

 

AMA: Befragungen zeigen, dass es für Konsumenten durchaus ein Kaufargument ist, durch den Kauf von Bio-Lebensmitteln die Umwelt zu schützen. Wenn das ein Selbstläufer wäre, müsste es dann überhaupt noch staatliche Förderungen geben oder ist das naiv?

 

Posch: Solange es die Konkurrenz zwischen Konventionell und Bio gibt, wird es immer einen Ausgleich brauchen. Es sei denn, die Preise für Bio steigen in einem Maß, dass der Ausgleich nicht mehr notwendig ist. Aber das, glaube ich, ist Illusion. Und man muss auch sagen, die Förderung, die das Landwirtschaftsministerium dazugibt und die Bemühungen der AMA, dass Bio unterstützt wird, tragen ja dazu bei, dass auch die Konsumenten diese Produkte zu einem besseren Preis bekommen. Ohne diese Hilfen wäre der Preis für Bio höher und der Absatz deutlich niedriger.

 

AMA: Wie wichtig ist denn die Arbeit der Politik und die der verwandten „organisatorischen“ Bereiche dafür, dass das ganze Werkel überhaupt rennt? 

 

Posch: Rahmenbedingungen sind immer wichtig in allen Zusammenhängen, und ohne dass die Politik darauf Wert legt, geht nichts – also sehr wenig. Es würde sicher ein paar Biobauern geben, die einfach sagen, ich will so produzieren, auch wenn ich nur konventionelle Preise bekomme. Aber die Masse wäre das nicht. Es ist einfach notwendig, dass die Politik Rahmenbedingungen setzt und Nachteile für Biobetriebe ausgleicht, damit ein Gleichgewicht entsteht. […] Die Rahmenbedingungen, die die Politik vorgibt, sind wichtig. Das sieht man auch auf europäischer Ebene.

 

AMA: Was muss die Biolandwirtschaft jetzt tun, damit’s läuft?

 

Posch: Es wird, glaube ich, nicht so sehr von der Entwicklung von Bio abhängen, sondern von der allgemeinen Entwicklung. Und wenn z. B. die Energie so teuer wird, dass Düngemittel schwierig zu erzeugen sind, dann sind die erst recht teuer. Dann wird vielleicht zwischen Bio und dem konventionellen Bereich gar nicht mehr so ein großer Abstand sein. Und wie dann die Preise für Bio, verglichen mit konventioneller Landwirtschaft, ausschauen, traue ich mich nicht vorherzusagen. Also ich glaube, Bio wird seinen Weg machen und wird wichtig bleiben. Die Konventionellen werden stärkere Entwicklungen über sich ergehen lassen müssen.

 

AMA: Inwieweit spielt der Klimawandel da eine Rolle? Funktionieren die Biokonzepte noch vor dem Hintergrund der veränderten Temperaturen und Niederschläge?

 

Posch: Das wird bei der Auswahl von Sorten eine gewisse Rolle spielen. Aber dass Bio auf die Böden einen stärkeren Wert legt und die Eigenschaften der Böden einfach verbessert, das bleibt eine Stärke der biologischen Landwirtschaft. 

 

AMA: Vielen Dank für das Gespräch.

" Dipl.-Ing. Alois Posch ist einer der „Gründungsväter“ der Bio-Landwirtschaft in Österreich. Er war im seinerzeitigen Lebensministerium ab 1988 zuständig für Biologische Landwirtschaft und Agrarumweltprogramme. Posch war von 1990 bis 2011 Mitglied der Codex-UK „Bio“. Nach wie vor setzt er sich für umweltgerechte, artgemäße, biodiverse und nachhaltige Landwirtschaft ein."